Die Feuertaufe.
Nach vielen Tagen Planung, Vorbereitung und Packen geht es los. Das Kanonenfieber Regiment rückt aus zum ersten Einsatz. Der Tourbus ist voll bis unters Dach und die Jungs und wir verlegen von Bamberg aus in Richtung Brünn. Drei Stunden Puffer haben wir uns gegeben, dieser sollte jedoch nicht ausreichen. Schon an der tschechischen Grenze heißt es warten. Endlose Schlagen am Vignetten Verkauf vermiesen uns die Laune. Nach einer Stunde des Anstehens und Vernichtens endlos vieler Tabakwaren haben wir unseren Scheibenaufkleber endlich am Tourbus angebracht.
Frohen Mutes und mit festem Tritt auf das Gaspedal fahren wir in den ersten Stau. Erneuter Unmut macht sich breit und die Zeit zerrinnt zwischen Teer, Autoreifen und Abgasen. Die Lautsprecher des Tourbusses beschallen uns mit einer Endlosschleife aus Black-, Death- und Thrashmetal.
Es geht wieder vorwärts. Nach 6 Stunden erreichen wir Brünn. Unser Booker wartet schon genervt vor unserer ersten Unterkunft. „Ausladen, ver- und entsorgen und auf zum Venue! Wir sind schon eine halbe Stunde darüber!“
Angekommen am Kultclub Melodka machen sich die ersten Zeichen von Nervosität erkennbar. Wir schleppen Gitarren, Schlagzeug, Hardware, Sandsäcke, Stacheldraht und Uniformen die endlos wirkenden Treppen hoch. Es geht durch den Club in den ohnehin schon komplett überladenen Backstagebereich. Aufbau, Soundcheck, Futter fassen.
Unser Booker lädt uns in ein Restaurant in der Innenstadt von Brünn ein und die ersten Humpen werden geleert. Euphorische Anspannung liegt in der Luft.
Wieder angekommen im Melodka ist die erste Band Vanguard bereits dabei, ihren ersten Song zu performen und der Laden ist gut gefüllt. Wir versammeln uns im Backstage. Ich halte eine kurze Ansprache mit motivierenden Worten, als schon die Jungs von Vanguard verschwitzt grinsend in die Backstage-Area gestapft kommen.
Mit der Uhr im Nacken wird die Stageshow aufgebaut und Uniformen angezogen. Kurzer Soundcheck, passt. Wir können loslegen. Ich warte im abgedunkelten Backstage, während von der Bühne die ersten Töne der Feuertaufe erklingen.
Drei, zwei, eins, und raus da!
Nach einer kurzen Nacht geprägt durch viel Bier und wenig Schlaf geht es weiter nach Polen. Um 11:30 Uhr ist Abfahrt. Die erste Show war ein voller Erfolg und wir zehren noch an den vor wenigen Stunden erfahrenen Eindrücken.
In Polen angekommen erwartet uns der Hinterhof eines alten, heruntergekommen Industriegebäudes. Wir Parken und verschaffen uns einen ersten Überblick. Ich steige die ausgetretenen Treppen des Rudeboyclubs hinunter, öffne die knarzende, schwere Eisentür, laufe eine Laderampe hinunter und stehe in einem Kultladen, der seinesgleichen sucht.
Eine mit Metallzaun abgegrenzte Bühne, ein mächtiges PA System, das gerade Rammsteins „Du Hast“ in den ausladenden Raum dröhnt und eine große, dunkle Holzbar gefüllt mit allen Spirituosen, die man sich vorstellen kann. Hier haben schon die größten Bands des Death- und Blackmetals ihre Liveshows präsentiert.
Das große Ausladen beginnt erneut und wir beziehen den Backstage. Wir lernen die Jungs der Band „Proch“ kennen und verstehen uns auf Anhieb gut. Während sich der Laden bereits gefüllt hat, werden wir von Poli, dem Veranstalter, mit zwei kurzen Cherry Wodka begrüßt. Das werden nicht die letzten Schnäpse diesen Abend gewesen sein.
Beschmiert mit Blut und mit schweren Eisenketten behangen stehen nun Porch auf der Bühne und zelebrieren Black Metal der düstersten Sorte. Für uns heißt es jetzt umziehen. Masken ins Gesicht gezogen, Uniform gerichtet, es geht wieder los. Eine kurze Ansprache und 55 Minuten lang schleudern wir einen Song nach dem anderen in die Menge.
Vor Schweiß triefend, steigen wir von der Bühne. Show zwei von drei. Der Abend ist noch lange nicht vorbei. Um 01:30 Uhr habe ich es geschafft, den Rest der Jungs von der Bar zu reißen. Der Veranstalter Poli hat einigen Bandmitgliedern sehr zugesetzt. Der Cherry Wodka hat seinen Tribut gefordert und 60% der Band sind komplett ausgeschaltet.
Mit zwei Bewusstlosen im Tourbus geht es auf nach München. Ich übernehme als erster das Steuer und fahre die ersten 4 Stunden. Als die Sonne langsam aufgeht, gebe ich das Lenkrad aus der Hand. Viel Schlaf bekomme ich auf dem Rest der Fahrt nicht.
Die größte Show dieses Wochenendes. Das erste Konzert in Deutschland. Tourbus abstellen, Bier holen, ausladen. Langsam bekommen wir Routine. Anschließend geht es zum Catering. Unser Booker hat nicht zu wenig versprochen.
Das Essen ist klasse.
Nach spannenden Gesprächen mit anderen Bands, machen wir uns bereit für den heutigen Auftritt. Die Clubstage wird es heute Abend. Die Band vor uns beendet ihr Set und wir haben Stagetime. Während unseres 20-minütigen Soundchecks füllt sich der Raum vor der Clubstage mehr und mehr.
Das lässt auf Großes hoffen für den heutigen Auftritt. Der Sound passt und die Band sammelt sich hinter der Bühne. Ein Angestellter des Backstage kommt zu uns und erzählt, dass sie nun schon Leute aus dem Club zerren und die Türen schließen müssen. Der Laden ist brechend voll. Ein gewisser Hauch von Panik macht sich unter uns breit, aber wir sind bereit, der Menge zu geben, was sie hören will.
Die Jungs stampfen in voller Montur raus auf die Bühne. Wieder die Feuertaufe, wieder warten. Drei, zwei, eins, ich marschiere auf die Bühne. Hunderte Leute stehen auf zwei Stockwerke verteilt vor der Clubstage. Ich blicke in die erwartungsvollen Gesichter und stimme ein gemeinsames „HEY! HEY! HEY!“ an. Die Luft ist wie elektrisiert und ich bewege bedächtig das Mikrofon in Richtung Mund: „ZUR VERTEIDIGUNG DES VATERLANDS …“
Das erste Tour-Wochenende hat mit diesem Auftritt einen großartigen Abschluss gefunden. Wir fahren nach Haus, um viele verpasste Stunden Schlaf nachzuholen.
Donnerstag, 21:30 Uhr. Ich sitze mit einem Kumpel in der Kneipe und wir palavern über die neusten Ereignisse in der Metalszene. Mein Handy klingelt. Wer wagt es, mich an meinem Bier-Donnerstag zu stören?! Die Nummer kenne ich nicht. Genervt laufe ich aus der Bar, nehme das Handy ans Ohr: „Hey, hier der Veranstalter vom Ragnarök! Groza fällt aus, könnt ihr morgen um 16 Uhr spielen?!“
19 Stunden vor dem Auftritt bekommen wir die Zusage für das Ragnarök Festival. Ein Festival, das ich seit vielen, vielen Jahren selbst besuche. Nur dieses Jahr werde ich tatsächlich auf der anderen Seite der Bühne stehen. Lichtenfels - Ragnarök Festival Die Jungs sind informiert, die Autos werden gepackt. Freitags um 12:30 Uhr fahren wir ab.
Angekommen in Lichtenfels begutachten wir den Backstage Bereich. Das Catering ist von einem anderen Stern, das Bierzelt mit Ikonen der Metalszene bestückt und ich bin beeindruckt. Abgesehen von der defekten Nebelmaschine, die die Bühne teilweise komplett mit undurchsichtigem Dunst überflutet, ist der Auftritt grandios. Das Publikum ist Spitze, der Sound ist sehr gut und die Bühne gibt mir genug Freiraum mich zu bewegen.
Selbstredend haben wir uns nach der Show amtlich betrunken und uns The Spirit, Ensiferum und Dark Tranquility angesehen. Im Nachhinein betrachtet war dies einer der bedeutendsten Tage in meinem Musiker Dasein und ich bin dem Veranstalter des Festivals sehr dankbar, uns diese Möglichkeit gegeben zu haben.
Der letzte Auftritt unserer ersten kurzen Tour-Periode steht an. Der Auftritt im Club "From Hell" sollte einen gebührenden Abschluss bilden. Die knapp zwei Stunden Fahrt sind kein Problem und um 14:00 Uhr kommen wir in Erfurt an. Freundlich werden wir von bekannten Gesichtern begrüßt. Die Jungs von Vanguard sind mit von der Partie, da der eigentlich Opener für diese Show abgesprungen ist!
Wir fangen an, auszuräumen und aufzubauen. Mittlerweile läuft alles wie von selbst. Jeder weiß, wo er wann zu sein hat, das Ein- und Ausräumen läuft wie von allein und die Bühnendekoration steht innerhalb weniger Minuten. Nach einem langen, guten Gespräch mit dem Besitzer des Clubs über - was wohl - Biersorten und mit vielen kulinarischen Empfehlungen bewaffnet, bereite ich mich auf die heutige Show vor.
Die Bühne sieht wahnsinnig gut aus. Leuchtende Pentagramme, Totenköpfe und viel Platz. Vanguard stehen auf der Bühne. Mit technischem Deathcore wird die Menge angeheizt. Wir bereiten uns vor. Nach einem kurzen Line-Check geht es auf die Bühne. Ich blicke in die erste Reihe und sehe einige bekannte Gesichter! Viele derer, die sich auf Instagram und Facebook angemeldet haben, sind heute hier. Ich gebe alles.
"Mosh" und "Circlepits" bringen den Laden zum Kochen. Zum großen Finale die Totenkopfmaske ins Gesicht gezogen und noch ein letztes Mal für Yankee Division die Stellung beziehen. Nach knapp 55 Minuten ist der Auftritt vorbei.
Bei einem Bier schauen wir uns noch die großartige Show von Waldgeflüster an und treten gegen 01:00 Uhr die Heimreise an.
Resümee
An dieser Stelle möchte ich im Namen der ganzen Band den Veranstaltern, unserem Booker und ganz besonders unseren Zuschauern danken. Es war uns ein Fest. Ich hoffe, viele von euch bald wieder vor der Bühne begrüßen zu dürfen, wenn es für uns wieder heißt, die Schrecken des Krieges hör- und greifbar zu machen.